Nun also steige ich in mein halb abgefrorenes Auto und könnte mich über die anstehende Fahrt zur Arbeit ärgern. Über die wenigen Stunden, die ich nun für meine Lohnarbeit zur Verfügung habe. Für den Stress, anschließend die Kids aus Schule und Kindergarten abzuholen. Den Einkauf, den ich erledigen muss, weil mein Mann heute berufsbedingt ausfällt. Der viel zu kurzen Schlafphase. Und der viel zu langen To-Do-Liste.
Doch ich treffe jetzt, an dieser Stelle, eine Entscheidung. Ich schalte das Autoradio auf Lautstärke „so laut, dass das ganze Dorf mittanzen kann“ und gehe ab. Wie mein 16jähriges Ich, das sich schon zu lange nicht mehr hat blicken lassen und langsam aber sicher zum Rebellieren begonnen hat. Ich entscheide, all meine Gedanken und Sorgen, über Bord zu werfen - all meine Vernunft, meine Verpflichtungen und Erwartungen. Vor allem aber entscheide ich mich dafür, diese Fahrt zu meiner, wenn auch nicht ganz freiwilligen und offensichtlichen, Me-Time zu erklären.
Ich höre also so laut Musik, wie ich es seit jeher nicht mehr machte, ausnahmsweise kein Zuckowski - Tralala und kein Peppa Wutz Hörspiel. Ich dröhne aus vollstem Inneren aus mir heraus, löse mich von Frustration und Übermüdung, lasse all meine Disbalancen und Emotionen über meine Stimmbänder in die weite und jetzt sehr laute Welt hinaus und beginne mit meinem 4 Minuten Lächeln, das, wie ich neulich gelesen hatte, Endorphine ausschütten soll, sodass ich langsam tatsächlich Freude empfinden kann.
Ich komme erstaunlich befriedigt zur Arbeit, mit einem viel klareren Kopf und dem Gefühl, all die Streitereien zwischen den Kindern, all das Chaos in der Küche, die Einkaufsliste und sämtliche Ziele, die mein Mann und ich uns in den Kopf gesetzt hatten, für die wenigen Stunden weggeschoben zu haben.
Ich erledige friedlich meine Arbeit, schreibe an sämtlichen Aufträgen, komme voran, wie ich nicht erwartet hatte… Warum? Weil ich fokussiert war, konzentriert und entspannt.
Nach wenigen Stunden setze ich mich erneut in mein Auto und erfreue mich gar daran. Der Gedanke, diese Autofahrt zu verdonnern, erscheint mir plötzlich nahezu blödsinnig, denn dies wurde für den heutigen Tag meine ganz persönliche Zeit. Zum Musik hören, Schreien, Singen, Gedanken und Gefühle loslassen, diese mit Applaus und Rockmusik weiterziehen lassen und dabei losgelöst verabschieden.
Ich atme bewusst ein und aus, fühle Freiheit, junges Glück, Harmonie und auch wenn ich weiß, dass mich das heimische Chaos kurz wieder erschlagen wird, hatte ich diese meine Momente.
… Was ich damit sagen möchte, liebe Mamis: Bei aller Selbstfürsorge, sie lässt sich nicht immer bewusst in unseren Alltag einplanen. Manchmal kommen wir nicht drumherum, vollkommen und ganz für unsere Kinder da zu sein. Vollkommen und ganz unsere Zeit anderen zu widmen. Aber eines bleibt uns dann noch: Auch diese Zeit bewusst zu erleben, sie mit etwas zu füllen, das sie etwas leichter erscheinen lässt.
Sei es eine Autofahrt zur Arbeit oder zur Schule. Die Badezeit der Kiddies. Das Kochen des Mittagessens. Das Aufräumen und Putzen. Das Setzen neuer Gartenpflänzchen. Oder, oder, oder.
Das Ziel sollte natürlich sein, sich bewusst Zeit für SICH zu nehmen, einzuplanen. Aber um realistisch zu bleiben, manchmal macht uns der Alltag nun mal einen Strich durch die Rechnung und unseren Plänen. Oder aber, das Einplanen von Selbstfürsorge setzt uns gar unter Druck, wenn wir glauben, es nicht zu schaffen! Zu versagen…
Vielleicht ist es dann etwas entspannter, sich zu denken:
Wenn wir tun MÜSSEN, bleibt uns immer noch die Entscheidung, WIE wir es tun WOLLEN.
Wortkünstlerin Claudia Contu
Autorin, Ghostwriterin und Texterin, Lebensberaterin
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